Ernährung und Migräne

Ernährung und Migräne

Dr. med. Jan Brand, Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein im Taunus
Das Thema ist immer aktuell. Quelle: migräne magazin 40

Die genauen Ursachen der Migräne sind bislang noch nicht völlig erforscht. Viele Wissenschaftler gehen jedoch davon aus, dass das Gehirn von Migräne-Patientinnen und Migräne-Patienten aufgrund ihrer Veranlagung empfindlicher reagiert als das Gehirn gesunder Menschen.
Darum können plötzliche Veränderungen im Körper, beispielsweise hormonelle Schwankungen im Verlauf des weiblichen Monatszyklus oder Veränderungen äußerer Einflüsse eine Attacke auslösen. Diese inneren und äußeren Einflüsse, die einen Migräne-Anfall provozieren können, werden Triggerfaktoren genannt. Sie sind nicht die eigentliche Ursache, aber der Auslöser von Schmerzattacken.

Migräne-Auslöser sind individuell

Die Frage, welche Triggerfaktoren bei einem Migräne-Kranken eine Attacke auslösen können, ist jedoch individuell sehr unterschiedlich. Bei dem einen spielt der abrupte Wechsel zwischen Ruhe und Stress eine Rolle, bei dem anderen ein veränderter Schlaf-Wach- Rhythmus, beispielsweise am Wochenende. Bei manchen Patienten können auch bestimmte Nahrungs- und Genussmittel die Attacke auslösen. Darum ist es auf jeden Fall wichtig, zusammen mit dem Arzt nach diesen persönlichen Triggerfaktoren zu suchen, damit sie nach Möglichkeit vermieden werden können.

Kopfschmerz-Tagebuch führen

Dabei hilft ein Kopfschmerztagebuch. Erhältlich sind solche Tagebücher etwa beim Hausarzt oder bei Kopfschmerz-Spezialisten, beispielsweise bei Neurologen, Schmerz-Psychotherapeuten, Anästhesisten. Ebenso steht ein solches Tagebuch auf der Website der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG) zum Herunterladen.
In diesem Tagebuch werden Häufigkeit und Stärke der Attacken über die Dauer einiger Wochen aufgezeichnet. Ebenfalls vermerken kann man darin auch Ernährungsweise oder andere Faktoren, die als Auslöser verdächtigt werden.
Es ist nicht sinnvoll, wenn Migräne-Kranke generell Nahrungs- mittel meiden, von denen bekannt ist, dass sie Anfälle provozieren. Denn Nahrungsmittel spielen nicht bei allen Patienten eine Rolle.

Es gibt keine Migräne-Diät

Darum gibt es auch keine besondere Ernährung bei Migräne oder gar eine „Migräne-Diät”. Wichtig ist es, die ganz persönlichen ernährungsbedingten Einflüsse mit Hilfe des Kopfschmerz-Tagebuchs herauszufinden, um sie gezielt vom Speiseplan zu streichen. Bei dieser „Detektivarbeit” muss man bedenken, dass zwischen der Aufnahme eines Nahrungsmittels und einer Attacke zumeist mehrere Stunden liegen, mitunter sogar ein ganzer Tag. Selbst wenn Migräniker herausgefunden haben, dass bestimmte Nahrungsmittel bei ihnen eine Attacke auslösen können, kommt es immer wieder vor, dass sie diese Nahrungsmittel trotzdem vertragen, wenn keine weiteren Störfaktoren hinzukommen. Erst wenn weitere Trigger „das Fass zum Überlaufen bringen”, kann es sein, dass die Nahrungsmittel einen Anfall provozieren.

Nahrungsmittel, die provozieren können

Einige Migräne-Patienten berichten, dass Käse oder Rotwein ihre Attacken auslösen können. Andere reagieren, wenn auch sehr selten, empfindlich auf bestimmte Eiweißstoffe in Joghurt und Milchprodukten oder auf die Inhaltsstoffe bestimmter Früchte, etwa Bananen.
Auch das Koffein in Kaffee und koffeinhaltigen Limonaden, etwa Cola-Getränken, kann eine Attacke verursachen. Manche Patienten reagieren aber auch auf den Koffein-Entzug am bürostressfreien Wochenende mit einem Anfall.
Ebenso können Konservierungsstoffe in Fertiggerichten eine Attacke provozieren. Dazu gehören beispielsweise Nitrate, die häufig in Würstchen oder in konservierten Fleisch- und Wurstwaren enthalten sind.
Bekannt als Triggerfaktor ist auch der Geschmacksverstärker Glutamat, mit dem häufig chinesische oder andere asiatische Gerichte gewürzt werden. Glutamat kann auch in Fertiggerichten und Tütensuppen sowie in Brühwürfeln enthalten sein.
Selbst Speiseeis kann eine Migräne auslösen – wegen des Kälteschocks, der den Trigeminus-Nerv in Aufruhr versetzt.

Keine Mahlzeiten auslassen

Mitunter können Attacken auch auftreten, wenn Migräne-Kranke Mahlzeiten auslassen. Darum ist es wichtig, regelmäßig zu essen. Früher wurde auch Schokolade als Migräne-Auslöser verdächtigt. Inzwischen gibt es jedoch Hinweise, dass Veränderungen im Hirnstoffwechsel, die einer Attacke vorausgehen, einen Heißhunger auf Süßigkeiten auslösen können. Dann wäre die Lust auf Schokolade ein Signal für einen bevorstehenden Schmerzanfall.

Spielen Allergien eine Rolle?

Manche Mediziner fassen die durch Nahrungsmittel ausgelöste Migräne-Attacke nicht als das Resultat einer biochemischen Wirkung, sondern als eine Art allergischer Reaktion auf. Tatsächlich konnten 43 Prozent der Teilnehmer in einer britischen Studie durch eine Auslassdiät, bei der bestimmte Nahrungsmittel gemieden werden, die Attacken auslösen können, die Häufigkeit ihrer Migräne-Attacken um die Hälfte senken. Darüber hinaus haben mehrere Forscher- gruppen festgestellt, dass sich bei nahrungsmittel-induzierten Migräne-Attacken im Blut unter anderem der für Allergien typische Botenstoff Histamin nachweisen lässt. Allerdings ließen sich die fraglichen „Migräne-Allergene” nie mit allergologischen Methoden, etwa durch einen klassischen Hauttest, dingfest machen. Darüber hinaus kann keine Diät Patienten von ihrer Migräne völlig befreien.

Nahrungsmittel oft überschätzt

Wie Experten vermuten, werden Nahrungsmittel insgesamt als Auslöser wohl eher über- als unterschätzt. Ein bestimmtes Essverhalten vor einer Migräne-Attacke könnte nämlich auch bereits ein Symptom der Anfangsphase einer Attacke sein. Gleichwohl raten Kopfschmerz-Experten: Migräne-Patienten sollten wissen, dass Nahrungsmittel im Einzelfall ein Co-Faktor für die Auslösung einer Attacke sein können. Eine Auslassdiät ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn sich ein Nahrungsmittel eindeutig als Triggerfaktor identifizieren lässt.

Achten Sie auf gesunde Ernährung

Da sich eine gesunde, ausgewogene Ernährung mit frischen vollwertigen Produkten auf den ganzen Organismus positiv auswirkt, ist sie zusammen mit anderen Methoden – etwa gezielten Entspannungstechniken und leichten Ausdauersportarten – prinzipiell allen Migräne-Patienten zu empfehlen, die etwas für sich selbst und für ihre Gesundheit tun wollen.

Deshalb:

Wenn Sie vermuten, dass Nahrungsmittel Ihre Migräne-Anfälle auslösen, überprüfen Sie dies mit Hilfe eines Kopfschmerz-Tagebuchs, oder lassen Sie einen Lebensmittelunverträglichkeitstest (IgG4) bzw. Histamin-, Lactose- oder Fructoseunverträglichkeitstest durchführen. Eine Umstellung der Ernährung ist nur dann sinnvoll, wenn bestimmte Nahrungsmittel eindeutig als Auslöser identifiziert werden konnten.


Aufpassen und Mitzählen

Effektive Migräne-Prophylaxe basiert auf vier Säulen:
• Ausreichend ungesättigte Fettsäuren
• Entsprechende, ausgewogene Ernährung
• Regelmäßige Entspannungsübungen
• Rationale Schmerzmittel-Therapie

Insbesondere wichtig: die sinnvolle Medikamenten-Einnahme, die bei einer möglichst langfristig ausgerichteten Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt so reduziert werden kann, dass keine schmerzmittelabhängigen Nebenwirkungen zu befürchten sind. Durch ein sinnvolles Prophylaxe-Programm ist es durchaus möglich, dass der nächste Migräne-Anfall entweder gar nicht erst auftritt oder sich die Intervalle zwischen den Attacken vergrößern.

Fettsäuren

Fettsäuren sind in allen Nahrungsmitteln enthalten. Sie bestimmen Konsistenz und Verdaulichkeit, beeinflussen in hohem Maß die Zusammensetzung der Blutfettwerte und die Bildung von Entzündungs- Mediatoren, die das Schmerzempfinden beeinflussen. Allerdings ist die Versorgung des menschlichen Organismus mit diesen mehrfach ungesättigten Fettsäuren (MUFS) – beispielsweise Linolensäure – zumeist unzureichend. Der Bedarf liegt bei 27 g täglich, tatsächlich aber werden im Allgemeinen nur 13g eingenommen. Das bedeutet, dass zwar viel Fett verzehrt, aber zu wenige ungesättigten Fettsäuren zugeführt werden.
Mit der Unterscheidung in „gute” und „böse” Fettsäuren bezeichnet man die sogenannten entzündungsfördernden und entzündungs- hemmenden Substanzen.
Um einen entzündungshemmenden Effekt zu erzielen, ist eine regelmäßige Zufuhr an alpha- und gamma-Linolensäure erforderlich, damit sich das Fettsäuremuster im Organismus entsprechend positiv verändert.
Der „Gegenspieler” der für die Gesundheit wichtigen Linolensäure, die Arachidonsäure, findet sich ausschließlich in tierischen Fetten: im Fleisch von Schwein, Rind und Geflügel sowie in fettreichen Milchprodukten. So enthalten 100 Gramm Schweineleber beispiels- weise 870 mg, Schweinefleisch 120 mg, Eigelb 297 mg Arachidonsäure.

Serotonin

Serotonin ist eine lebenswichtiges Substanz, die der menschliche Organismus braucht, um bestimmte Regelungen bewerkstelligen zu könne. Serotonin ist am Blutdruckgeschehen beteiligt, regt die Darmtätigkeit an, signalisiert Sättigung, regelt den Schlaf-Wach- Rhythmus und spielt eine entscheidende Rolle für die jeweilige Stimmungslage. So ist beispielsweise die Lust auf Süßigkeiten eine Folge des Serotonin-Mangels im Gehirn, der durch eiweißreiche und kohlehydratarmer Kost ausgelöst werden kann. Serotonin ist abhängig von seiner Vorstufe, dem sogenannten Tryptophan, das besonders in Cashewnüssen, Haferflocken, Sojabohnen, Weizenkeimen und Käse enthalten ist. Es wird vermutet, dass Migräniker einen zu geringen Anteil an Tryptophan haben, da das Serotonin zu Beginn einer Migräne-Attacke sehr erniedrigt ist. Deshalb wird häufig Sumatriptan eingesetzt, da es Serotonin zusätzlich freisetzt.

Der tägliche Bedarf an Tryptophan wird in der Fachliteratur mit 210 mg pro Tag angegeben.
Dieser Anteil ist enthalten in:

50 g Käse (Tilsiter, Edamer. Parmesan, Emmentaler)
50 g getrocknete Erbsen. Mungobohnen, Sojabohnen
70 g Nüssen
70 g Fleisch
100 g Fisch
100 g Haferflocken
200 g Roggen
350 g Vollkornbrot

Lebensmittel, wie beispielsweise Käse, können aber trotz eines hohen Anteils an Tryptophan über andere Mechanismen eine Migräne-Attacke auslösen. Deshalb empfehlen sich neben pflanzlichen Lebensmitteln Kaltwasserfische, die einen hohen Gehalt an Tryptophan ausweisen. Der Anteil an Tryptophan kann auch durch die Zufuhr von Kohlehydraten gesteigert werden.
Grundsätzlich ist anzumerken, dass die Anfälligkeit für Migräne- Anfälle durch bestimmte Lebensmittel individuell sehr verschieden ist. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, ein Tages-Protokoll über die Ernährungsgewohnheiten zu führen, das es erleichtert, mögliche Auslöser zu identifizieren.

Amine

Amine beeinflussen die Gefäßdurchlässigkeit im menschlichen Körper und die Schmerzempfindung. Die biogenen Amine, die sowohl in pflanzlichen wie tierischen Lebensmitteln vorkommen, wirken als Hormone oder Neurotransmitter. Man unterteilt sie in psychoaktive Amine (Dopamin, Noradrenalin, Adrenalin) und vasoaktive Amine (Histamin, Tyramin). Frische Lebensmittel enthalten keine oder nur äußerst geringe Mengen an biogenen Aminen, fermentierte pflanzliche und tierische Nahrungsmittel je nach dem Grad der Be- und Verarbeitung sowie Transport- und Lagerzeiten unterschiedlich hohe Amingehalte.

Aminreich sind beispielsweise
• lang gelagerte, gereifte oder fermentierte Lebensmittel wie lange angehangenes geräuchertes oder gegrilltes Fleisch, wie Schinken, Salami, Rohwürste
• marinierter, eingelegter Fisch
• salzlakengereifter Käse wie Cheddar, Blauschimmelkäse, Emmentaler
• Schokolade, Nougat. Likörpralinen
• Bananen
• Rotwein

Alles in allem ist es äußerst wichtig, sich selbst zu kontrollieren und die Gefahren, die man durch unbedachte Ernährung oder aus Unkenntnis zu sich nimmt, zu minimieren. Denn letzten Endes sind wir Menschen auch vielen anderen Einflussnahmen ausgesetzt, beispielsweise Stress-Situationen, die wir unsererseits nicht ver- hindern oder beeinflussen können. Deshalb sollte man alles unternehmen, was möglich ist, um unsere Gesundheit, soweit es in unserer Macht und unserer Einflussnahme steht, positiv zu gestalten.

Dr. med. Jan Brand
Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein im Taunus


Diätetische Behandlung der Migräne

Wie Untersuchungen in neurologischen Laboratorien zeigen, können Ursache für die Entstehung der Migräne Defizite der Energiereserven in den Mitochondrien, den Kraftwerken unserer Zellen, sowie zeitlich und örtlich begrenzte Durchblutungsstörungen im Gehirn oder eine vorübergehende Durchlässigkeit von Blutgefäßwänden im Gehirn sein. Dies kann zu einem erhöhten bioenergetischen Defizit in den schmerzverarbeitenden Gehirnzellen führen.

Die Energiebereitstellung für alle Stoffwechselabläufe in unserem Organismus erfolgt durch die Mitochondrien. Die Energie wird aus Kohlenhydraten, Fetten und Eiweiß gewonnen. Dabei werden die drei Nährstoffe in den Zellen in ihre Bausteine zerlegt. In der Atmungskette in der Membran der Mitochondrien entsteht durch die Verbrennung mit Sauerstoff Energie. Die Schlüsselsubstanzen in der Atmungskette, ohne die eine Energiebildung nicht möglich ist, sind Ubiquinon Q10, Riboflavin (Vitamin B2) und Niacinamid (Vitamin B3), die wie ein Uhrwerk zusammenarbeiten. Sie aktivieren den mito-chondrialen Energiestoffwechsel und können ein Bioenergetisches Defizit in den Nervenzellen ausgleichen.

Eine diätetische Behandlung der Migräne zur Ausgleichung bzw. Vermeidung des Bioenergetischen Defizits muss über einen langen Zeitraum, manchmal sogar lebenslang durchgeführt werden. Daher ist es entscheidend, dass die diätetischen Maßnahmen mit physiologischen Substanzen durchgeführt werden, die frei von Nebenwirkungen und gut verträglich sind. Dies führt nicht zuletzt zu einer besseren Lebensqualität.

Physiologische Substanzen, die diese idealen Voraussetzungen in der diätetischen Behandlung der Migräne erfüllen, sind – wie klinisch nachgewiesen – die sogenannten mitotropen Substanzen Ubiquinon Q10. Riboflavin und Niacinamid. Studien zeigen, dass allerdings für eine erfolgreiche Behandlung die üblicherweise empfohlenen Tagesmengen bei weitem nicht ausreichen; erst eine regelmäßige tägliche Dosierung von 150 mg Ubiquinon, 400 mg Riboflavin und 50 mg Niacinamid bewirkt, dass die Substanzen bis in die Mitochondrien gelangen und voll wirksam werden.