Gesundheitswesen in Deutschland

Bleibt der chronisch kranke Patient auf der Strecke?

Lucia Gnant, 1. Vorsitzender der MigräneLiga e.V. Deutschland. migräne magazin 64
Die Ablehnung einer Reha-Maßnahme scheint mittlerweile zur Regel geworden zu sein. Jedenfalls kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man die vielen Anrufe und Briefe der Migränepatienten bei der MigräneLiga e.V. Deutschland ernst nimmt. Nach einem Widerspruch erreichen immerhin einige Migräniker das Ziel, dass Ihnen die Maßnahme bewilligt wird, oft aber nicht in der gewünschten Einrichtung! Allzu oft kommt der Migränepatient in eine x-beliebige, häufig psychosomatische Klinik. In dieser ist er dann – mit Patienten völlig unterschiedlicher Krankheitsbilder – oftmals letztlich sich selbst überlassen, da das Personal über keine oder zu wenig Erfahrungen mit der Erkrankung Migräne verfügt. Dieser Aufenthalt wird bezahlt, bringt aber dem chronisch Kranken nur unzureichende Besserung!

Sparen ja, aber an der richtigen Stelle – meine ich. Wir Migräniker haben unsere Erkrankung nicht selbst verursacht, in dem wir z. B. ungebremst Alkohol genießen oder eine extreme Sportart betreiben. Wir haben die Krankheit vererbt bekommen und können sie mit der richtigen Behandlung gut in den Griff bekommen.

Unser Gesundheitssystem ist unbezahlbar geworden heißt es; ich will mir selbst ein Bild machen und telefoniere mit Verbänden und Krankenkassen. Die Auskünfte sind spärlich. Entweder ist die Sachbearbeiterin erkrankt oder es liegen keine Zahlen vor oder sie können nicht herausgegeben werden – „Sie verstehen, Datenschutz”!

Aber wozu gibt es das Internet? Das ist sogar am Sonntag erreichbar und ich werde fündig! Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes belaufen sich im Jahre 2011 die Gesundheitsausgaben (gesamt) auf 293.801 Mill. Euro (= 100%). Davon entfallen z. B. auf ärztliche Leistungen 81.616 Mill. Euro (= 27,8%). Die Verwaltungskosten betrugen allerdings im gleichen Jahr 15.152 Mill. Euro (= 5,2%). Einrichtungen des Gesundheitswesens wie 2.045 Krankenhäuser mit 502.029 Betten verursachen Kosten von 76.840 Mill. Euro. 1.233 Vorsorge- oder Reha-Einrichtungen mit 170.544 Betten 8.369 Mill. Euro.

Für die Reha-Einrichtungen gaben die Versicherungsträger im Jahr 2011 8.369 Millionen Euro aus. Das sind kaum 2,85% der Gesamtausgaben von 293.801 Millionen Euro! Die vielfachen Beteuerungen, wie wichtig die Vorsorge ist, stehen im krassen Gegensatz zu der gängigen Praxis, den Antrag auf eine Reha-Maßnahme erst einmal abzulehnen. Den meisten Betroffenen ist es zu beschwerlich einen erneuten Antrag zu stellen, so bleibt die Vorsorge oftmals auf der Strecke.

Wenn diese „Verweigerungstaktik” in der Gesundheitspolitik weiter fortgesetzt wird, werden viele der Reha-Einrichtungen schließen müssen. Schade für die Patienten, schade aber auch für die über 90.000 Beschäftigten dieser Einrichtungen, Menschen, deren Arbeitsplätze womöglich mittel- oder langfristig gefährdet sind.

Kurzfristiges Schielen auf wirtschaftliche Vorteile bei der Abrechnung nach Fallpauschalen ist der falsche Weg, da er die ungeheuren Folgekosten und Langzeitschäden unberücksichtigt lässt, die bei rechtzeitiger Vorsorge zu verhindern wären. Fangen wir also an zu sparen, aber an der richtigen Stelle und nicht an den chronisch Kranken, die dringend Hilfe benötigen.

Lucia Gnant