Paracetamol – Warnung vor Einnahme in der Schwangerschaft

Prof. Dr. Hartmut Göbel. Chefarzt der Schmerzklinik Kiel. Aus migräne magazin 51

Prof. Göbel Kiel
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Paracetamol galt bisher als das sicherste Schmerzmittel in der Schwangerschaft. Aufgrund der früheren Datenlagen schien die Sicherheit außer Zweifel zu sein. Schwangeren wurde die nahezu bedenkenlose Einnahme dieses Schmerzmittels empfohlen.
Aufgrund aktueller Studien ist jedoch ein sorgfältiges Umdenken erforderlich. Neue Studien beschreiben einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Kontakt mit Paracetamol vor der Geburt und erhöhtem Risiko für Asthma, anderen Atemwegserkrankungen und gestörter Hodenentwicklung.
Entgegen früheren Empfehlungen wird daher bei möglicher oder bestehender Schwangerschaft von der Einnahme von Paracetamol in Mono- und insbesondere Kombinationspräparaten abgeraten. Bis zur Klärung des genauen Zusammenhangs muss der Grundsatz gelten: Im Zweifel für das ungeborene Leben und gegen die Einnahme von Paracetamol, insbesondere in Kombination mit anderen Schmerzmitteln. Kurzer Nutzen und langfristige lebenslange Risiken stehen bei möglicher oder bestehender Schwangerschaft aufgrund der neuen Datenlage nicht mehr im ausgewogenen Verhältnis zueinander.


Die Einnahme von Paracetamol
durch Schwangere und Kontakt des Ungeborenen mit dem Arzneimittel scheint später bei den Kindern zu einem bedeutsam erhöhten Risiko für die Entwicklung von Asthma und Atemwegserkrankungen sowie möglicher Unfruchtbarkeit bei Jungen zu führen. In den letzten Jahren hat sich global ein deutlicher Anstieg der Häufigkeit von Asthma eingestellt.

Paracetamol ist in Deutschland das am häufigsten eingesetzte Schmerzmittel. Es steht auf Platz 1 der am häufigsten verwendeten Arzneimittel. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahren in der Bevölkerung ein bedeutsamer Anstieg von Asthma festgestellt. Paracetamol kann zu einer Reduktion von Glutathion in der Lunge führen. Es wird angenommen, dass Glutathion für die Entstehung von Asthma eine wichtige Rolle spielt.

Besonders bedenklich ist der begründete Verdacht eines signifikant erhöhten Risikos für die Entwicklung der Lageanomalie des Hodens bei Jungen (Kryptorchismus) nach neuen Studienergebnissen. Bei den Betroffenen kann dies später zu einer verminderten Zeugungsfähigkeit und erhöhtem Risiko für das Auftreten von bösartigen Hodentumoren führen. Die Spermienanzahl und Spermienvitalität im späteren Leben können reduziert werden. Die kombinierte Einnahme von zwei Schmerzmitteln bei Schwangeren war mit einer siebenfach erhöhten Rate eines Kryptorchismus der neugeborenen Jungen verbunden. Es wird der Verdacht geäußert, dass die Auswirkungen von einer Tablette Paracetamol zu 500 mg für das ungeborene Kind schädlicher sein könnte, als die zehn häufigsten Umweltschadstoffe. Den Studien wurde Kritik entgegengehalten, ein ursächlicher Zusammenhang sei noch nicht definitiv bewiesen.

Die Gefahr, dass bei Überdosierung über 150 mg pro kg Körpergewicht irreversible Leberzellschädigungen bis zum Leberversagen ausgelöst werden können, führte bereits zu einer Limitierung der Packungsgröße im Rahmen der Selbstmedikation.
Die neuen Studien begründeten ein bedeutsames Umdenken für die Anwendung bei möglicher geplanter oder bestehender Schwangerschaft.

Grundsätzlich sollte auf die Einnahme von Schmerzmitteln in Schwangerschaft und Stillzeit verzichtet werden. Im Einzelfall kann bei besonders schweren Schmerzen nach ärztlicher Beratung eine Akutmedikation erwogen werden. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass insbesondere sogenannte einfache Schmerzmittel wie Paracetamol nur eine schwache und kurze Wirkung auf den schweren Schmerzanfall haben, jedoch gleichzeitig nachhaltige lebens- lange Risiken für das ungeborene Kind bewirken können.

Prof. Dr. Hartmut Göbel
Chefarzt der Schmerzklinik Kiel