Psychotherapeutische Techniken in der Kopfschmerztherapie

Anna-Lena Richter, Psychologische Psychotherapeutin, Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein im Taunus.  Aus migräne magazin 63

Psychotherapeutische Interventionen können in Verbindung mit weiteren Therapiebausteinen, wie der medikamentösen Therapie, Patientenaufklärung z.B. durch Vorträge, Bewegung und Entspannungstechniken, einen bestmöglichen Therapieerfolg ermöglichen. Psychotherapie ist im Einzelfall so individuell wie die Menschen, die um Unterstützung bitten. Einige Techniken, die häufig Anwendung in der Therapie von Kopfschmerzen finden, werden im Folgenden vorgestellt.

Aufklärung über den Zusammenhang zwischen Kopfschmerzen und Befinden

Aufklärung über die Erkrankung steht am Anfang jeder Psychotherapie und soll ermöglichen, dass sich Betroffene ein gutes Störungswissen aneignen können (Hilfe zur Selbsthilfe).Zusätzlich zu einem medizinischen Ansatz kommen im Falle von chronischen Schmerzen auch psychotherapeutische Behandlungen in Frage, da psychische Faktoren die Schmerzwahrnehmung und Verarbeitung beeinflussen können. So wird unsere Schmerzschwelle von psychischen Faktoren beeinflusst. Zum Beispiel ist unsere Grundbefindlichkeit wesentlich mitverantwortlich für die Schmerzschwelle. Eine dauerhaft negative Grundbefindlichkeit führt zu einer schlechteren Migräne-Abwehr. Die Verschlechterung der Abwehr hat eine Zunahme der Attacken zur Folge. Unsere Grundbefindlichkeit kann im Alltag durch chronischen Stress beeinflusst werden. Oftmals sind wir uns Dauerbelastungen nicht bewusst. In gezielten Gesprächen oder auch Gruppentherapien werden Stress, Stressbewältigung und sonstige dauerhafte Belastungen thematisiert.


Erholung und Stressbewältigung aktiv gestalten

Die moderne Erholungsforschung zeigt, dass wir nicht nur passiv auf Erholung warten müssen, sondern dass wir den Erholungsprozess aktiv gestalten können. Dazu müssen wir wissen, wovon und wozu wir uns eigentlich erholen wollen. Erholung ist nicht gleich Erholung. Welche Form der Erholung wir wählen sollten, hängt davon ab, welche Form der Beanspruchung wir zuvor erlebt haben.

Sowohl die Intensität als auch die Häufigkeit von Kopfschmerzen können durch stressverschärfende Gedanken und Verhaltensweisen mitbedingt oder verstärkt werden. Betroffene erhalten die Möglichkeit über ihre eigenen Lebensumstände, Gedanken und Verhaltensweisen nachzudenken und sich selbst zu hinterfragen, besonders natürlich in Bezug auf stressverschärfende Aspekte hin. Gemeinsam können dann Lösungsstrategien erarbeitet werden. Diese können darin bestehen neue, hilfreiche Gedanken zu erarbeiten oder auch regenerative Techniken einzusetzen (z.B. Entspannungs- und Genusstraining). Auf diesem Weg können wir eine bessere Selbstfürsorge erarbeiten. Durch die erhöhte Selbstfürsorge verändern sich neurophysiologische Verarbeitungsprozesse und eine Erhöhung der Schmerzkompetenz kann erreicht werden.

Die sieben Genussregeln

Genuss wirkt wie ein Puffer. Wir nehmen Stress als weniger belastend wahr, können mit bestehenden Belastungen besser umgehen und haben insgesamt ein dickeres Fell. Unser Körper kann negative Folgen von Belastungen schneller abbauen und wir erholen uns leichter. Genuss wirkt sich auch positiv auf unsere Gesundheit aus. Angenehme Gefühle schützen das Herzkreislaufsystem und wirken sich günstig auf unser Immun- und Hormonsystem aus.
Wer oft genießt und dadurch sein positives Befinden stärkt fördert damit auch seine persönliche Fähigkeit Probleme zu lösen. Die eigene Haltung verändert sich, sie wird wacher, aufmerksamer, erfahrungsoffener und kreativer. Und schließlich gilt: Wer nicht genießt, wird ungenießbar.

1. Genuss braucht Zeit: Nehmen Sie sich Zeit, um sich Freiraum für Genuss zu schaffen.

2. Genuss muss erlaubt sein: Erlauben sie sich Genuss und tun sie es einfach.

3. Genuss geht nicht nebenbei: Er braucht ihre ungeteilte Aufmerksamkeit

4. Wissen, was einem gut tut: Jeder Einzelne sollte seine Präferenzen kennen

5. Weniger ist mehr: Quantität schlägt nicht in Qualität um. Eine gewisse Askese ist genusssteigernd.

6. Ohne Erfahrung kein Genuss: Häufiger Genuss führt zu einer besseren Differenzierungsfähigkeit, die jeder lernen kann – sie kommt nicht von allein.

7. Genuss ist alltäglich: Es bedarf keiner außerordentlichen Ereignisse, damit Genuss erfahrbar wird.


Entspannungstechniken
Das Ziel aller Entspannungsverfahren ist es, dass wir uns körperlich und seelisch wohler fühlen. Wir lernen eigene Körperzustände (Anspannung-Entspannung) bewusst zu beeinflussen und stärken somit unsere Selbstkontrolle. Das Gefühl dem Schmerz hilflos ausgeliefert zu sein kann über diese neuen Fähigkeiten reduziert werden. Zusätzlich schulen wir unsere Aufmerksamkeit und lernen uns bewusst auf bestimmte Dinge und das eigene Erleben zu konzentrieren. Wir können also unsere Aufmerksamkeit ganz bewusst von Außenreizen nach innen, in den eigenen Körper hinein, lenken und dadurch z. B. eigene Bedürfnisse besser registrieren. 

 „Du kannst zwar die Welle nicht aufhalten,

aber du kannst lernen, sie zu reiten.”

(Yogi Swami Satschitananda)

Schmerzen, Verspannungen und schlechtes Befinden stehen bei chronischen Schmerzen in einem besonders engen Zusammenhang. Schmerzen wirken sich auf unser Befinden aus und erzeugen Verspannungen. Schlechtes Befinden und Verspannungen verstärken Schmerzen. Es kann hierdurch zu einer wechselseitigen Verstärkung dieser drei Faktoren kommen. Man spricht vom Teufelskreis des Schmerzes:

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Das gleiche gilt aber auch umgekehrt: Unser Befinden wirkt sich auf die erlebten Schmerzen aus. Alle Entspannungsverfahren führen sowohl zu einer körperlichen als auch zu einer seelischen Entspannung. Auf diese Weise lässt sich der Teufelskreis zwischen Schmerzen, Verspannungen und schlechtem Befinden durchbrechen und umkehren. Als zusätzlicher Baustein können Entspannungsverfahren den Therapieerfolg bei Kopfschmerzpatienten beschleunigen und verfestigen.

Anna-Lena Richter
Psychologische Psychotherapeutin
Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein
Ölmühlweg 31
61462 Königstein im Taunus