Roßkuren wider Gift und Brand
Von Gerhard Dau. Aus migräne magazin 3
Medizingeschichte – Ernstes zum Schmunzeln
Man war im Mittelalter nicht gerade zimperlich, wenn es galt, einen Widersacher auszuschalten, und schreckte auch keineswegs davor zurück, den Gegenspieler in Politik und Liebe mit völlig unchristlichen Mitteln und Methoden aus der Welt zu schaffen. Deshalb ließ die Angst, vergiftet zu werden, manchen Fürsten zu kuriosen Sicherungen und oft auch zu abergläubischen Vorkehrungen greifen, um durch Amulette und Talismane dieser Gefahr zu begegnen. So galt beispielsweise der zerstoßene Höcker des Nashorns nicht nur als her- vorragendes Therapeutikum, um die nachlassende Kraft und Männlichkeit wiederzubeleben, sondern zugleich auch als vorzügliches Prüfgemisch, um rechtzeitig feststellen zu können, ob eine Flüssigkeit vergiftet war, da es jedes Getränk – angeblich – zum Aufbrausen brachte und damit anzeigte, dass ein hinterhältiger Mörder dem Herrscher nach dem Leben trachtete.
Weniger wirkungsvoll und wesentlich unangenehmer war die Art, mit der man versuchte, Albrecht I. von Österreich zu kurieren, der offenbar nicht an die Macht des Nashornpulvers geglaubt hat. Er fühlte sich nach einem üppigen Mahl mit Fisch und Wildbret plötzlich von einem so heftigen Unwohlsein befallen, dass der Verdacht auf Gift nicht unbegründet war und seine Ärzte sofort mit Aramaten und Latwergen versuchten, der unheilvollen Wirkung zuvorzukommen – vergebens. Als alle Mittel versagten, hingen sie den Fürsten an den Füßen auf, damit das Gift durch Augen, Ohren, Nase und Mund den Körper verlasse. Albrecht verlor durch diese Rosskur nicht nur das Bewusstsein, sondern auch ein Auge, auf dem er zeitlebens erblindet war.
Ebenfalls von seinem Leibarzt aufgehängt wurde Kaiser Sigismund, der 1404 bei der Belagerung von Znaim an Gift erkrankte. 03 RosskurenÜber vierundzwanzig Stunden lang hing der Fürst an einem Seil, wobei ihm Kopf und Brust auf ein Kissen gebettet wurden – und er genas, während der 27jährige Herzog von Österreich, der ebenfalls von dem Wein getrunken hatte, dem Gift unter qualvollen Schmerzen erlag.
Ebenso wenig zimperlich war man, wenn es darum ging, mit chirurgischen Eingriffen den Patienten zu Leibe zu rücken. So beispielsweise auch die Hofärzte des Markgrafen Declo, der zur Fettsucht neigte: Sie schnitten ihm 1190 ganz einfach den Bauch auf, um das überschüssige Fett zu entfernen – eine Operation, die, wie der Chronist berichtet, erfolgreich und zur völligen Satisfaktion der Mediziner verlief. Der zersäbelte Markgraf allerdings habe „die Heilung nicht abwarten können” und sei durch eigene Ungeduld unter den Messern verschieden.
Vier Jahr später traf es Herzog Leopold von Österreich. Er war am Stephanstag des Jahres 1194 während eines Turniers so unglücklich vom Pferd gestürzt, dass der rechte Unterschenkelknochen brach und Knochensplitter durch Fleisch und Haut drangen. Die herbeieilenden Ärzte legten ihm zwar einen Wundverband an, sahen aber davon ab, das Bein zu amputieren. Am nächsten Tag war jeder Eingriff unmöglich geworden: der mittlerweile eingetretene Wundbrand schloss eine Operation aus. Der Herzog, mutiger als seine medizinischen Betreuer, überwand sich schließlich, die Amputation selbst vorzunehmen, beorderte Waffenmeister und Rüstungsschmied herbei und gebot ihnen, ein scharf geschliffenes Beil an das Schienbein anzulegen und mit einem schweren Hammer zuzuschlagen – was mit einem einzigen Hieb gelang, so dass der Stumpf, wie der Chronist berichtet, „in eyn hohen Bogen davonfloch.”