Migräne im Kindes- und Jugendalter
Daniela Rudolph u. Anna-Lena Breter, Diplom-Psychologinnen in der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein. Aus migräne magazin 68
Bereits Kinder und Jugendliche können unter Migräne und deren Begleitsymptomen wie Übelkeit und Erbrechen leiden. Erlernen sie früh den Umgang mit Kopfschmerzen, können sie ihre Lebensqualität verbessern. Die Diplom-Psychologinnen Daniela Rudolph und Anna-Lena Breter berichten, welche Behandlungsmöglichkeiten es für diese Altersgruppe gibt.
Oft treten Kopfschmerz-Erkrankungen in Familien gehäuft auf, fast immer über mehrere Generationen hinweg. Eine Ursache hierfür liegt in einer genetischen Disposition, einer vererbten Veranlagung für Migräne. So kann sich Migräne bereits im Kindesalter entwickeln, auch wenn sie in den meisten Fällen erstmals bei Jugendlichen in der Pubertät auftritt. Kindern und Jugendlichen gelingt es in anfallsfreien Phasen häufig recht gut, Schmerzen hinter sich zu lassen, das Leben zu genießen und aktiv zu gestalten.
Es können aber auch Probleme auftreten, etwa zunehmende Fehlzeiten in der Schule und dadurch erhöhter Druck, versäumten Stoff aufholen zu müssen. Gerade ehrgeizige und leistungsorientierte Kinder und Jugendliche laufen Gefahr, in einen Teufelskreis aus Schmerz, Fehltagen und Überforderung zu geraten.
… damit der Schmerz nicht chronisch wird
Problematische
Bewältigungs- Strategien im Umgang mit den Schmerzen sowie ungünstige
Denk- und Bewertungsmuster können dazu beitragen, dass die Migräne
zunimmt. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Schmerzerkrankung eines
Tages chronisch wird. Um dieses Risiko zu verringern, ist es gerade bei
hoher Attackenfrequenz sinnvoll, Betroffene schon in jungen Jahren zu
behandeln. Dies ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass chronische
Schmerz-Erkrankungen einen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer
Leiden wie Depressionen und Angststörungen darstellen.
Verantwortungsvoll mit Arznei umgehen
Die
Diagnose stellt der behandelnde Arzt. Dabei muss die körperliche und
psychische Entwicklung des Kindes berücksichtigt werden. Es ist
hilfreich, wenn die Patienten ein Kopfschmerztagebuch führen. Es liefert
zum einen wichtige Daten, zum anderen begünstigt es die Wahrnehmung des
Körpers sowie der eigenen Belastungsgrenzen. Dies fördert die Fähigkeit
der Kinder und Jugendlichen, mit ihrer Krankheit umzugehen, und kann
Hinweise auf mögliche Auslöser liefern. Die Akutbehandlung der
Kopfschmerz- und Migräneattacke erfolgt meist mit Medikamenten. Eine gut
wirksame Akuttherapie beugt einer späteren Kopfschmerz-Chronifizierung
vor. Um einen möglichen Übergebrauch zu vermeiden, sollte man die jungen
Patienten über den korrekten Umgang mit den Arzneimitteln aufklären.
Zur Vorbeugung der Kopfschmerzen stehen im Kindesund Jugendalter
nichtmedikamentöse Strategien im Vordergrund. Wenn nötig sind aber auch
wirksame medikamentöse Behandlungsverfahren verfügbar.
Das Ausmaß der Belastung ergründen
Auch
die psychologische Diagnostik beruht auf einem ausführlichen
Anamnesegespräch. Ergänzt werden kann sie durch Fragebögen, die für die
jeweilige Altersgruppe erstellt wurden und die Beeinträchtigung durch
Kopfschmerzen, psychologische Belastungsfaktoren und die Stimmung
erfassen. Zunächst muss im Gespräch ein Vertrauensverhältnis aufgebaut
werden. Dabei muss der Therapeut auf die besondere Situation von
Jugendlichen Rücksicht nehmen. Ein Gespräch mit den Eltern kann die
Diagnostik vervollständigen. Wichtige Informationen sind, wie die
Betroffenen im Alltag mit den Kopfschmerzen umgehen und wie sich diese
auf das Familienleben, den Schulbesuch, den Umgang mit Gleichaltrigen
und die Freizeitaktivitäten auswirken.
Vorteile: Therapie in Gruppen
Wie für Erwachsene gibt es mittlerweile spezielle Therapieprogramme für Kinder und Jugendliche, sowohl ambulant als auch stationär. Meist erfolgt die psychologische Behandlung in Gruppen, denn dies bietet einige Vorteile: Gemeinsam mit anderen Betroffenen ihrer Altersstufe erleben die Kinder und Jugendlichen, dass sie nicht alleine sind, sondern ihre Situation mit anderen teilen. Außerdem können sie in ihrer Schmerz- und Krankheitsbewältigung voneinander lernen. Gerade im stationären Setting, losgelöst vom gewohnten Umfeld, können Kinder und Jugendliche erfahren, wie man im Umgang mit dem Kopfschmerz mehr Eigenverantwortung übernimmt. Dies begünstigt ihr Gefühl der Selbstkontrolle, stärkt die Autonomie-Entwicklung und entlastet damit häufig Eltern und Geschwister.
Strategien gegen den Schmerz
Bei der Kopfschmerztherapie stehen verhaltensmedizinische
Maßnahmen im Vordergrund. Indem die Patienten lernen, ihr Verhalten zu
beeinflussen, können sie die Häufigkeit und die Beeinträchtigung durch
den Kopfschmerz reduzieren. Das in der Migräne- und Kopfschmerzklinik
Königstein angebotene dreiwöchige stationäre Therapieprogramm für Kinder
und Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren kombiniert ärztliche
Behandlung, physiotherapeutische Maßnahmen und pflegerische Betreuung.
Die psychologische Behandlung orientiert sich an dem Therapieprogramm
von Denecke und Kröner-Herwig (2000). Dabei erhalten die Betroffenen
zunächst altersgerechte Informationen über den Schmerz. Zudem werden
verschiedene Entspannungsverfahren vorgestellt und geübt, um eine
erhöhte Anspannung zum Beispiel in Folge von Schulstress zu reduzieren.
Es werden Kopfschmerz-Auslöser identifiziert und bearbeitet, d.h. die
jungen Patienten lernen, anders damit umzugehen, sie erfahren, welche
Rolle gedankliche Bewertungen und Aufmerksamkeitsprozesse spielen. Ein
Selbstsicherheits- und Problemlösetraining vermittelt ihnen außerdem die
Kompetenz, besser mit Belastungen, auch im Hinblick auf soziale
Situationen, umzugehen. Die eingesetzten psychologischen Verfahren
dienen somit als nicht-medikamentöse Prophylaxe, die gerade in der
Behandlung von Kindern und Jugendlichen eine zentrale Rolle spielen
sollte.
Autorinnen:
Daniela Rudolph
Anna-Lena Breter
Diplom-Psychologinnen in
der Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein
Ölmühlweg 31
61462 Königstein/Taunus
Telefon: 06174/29 04-0