Starke Muskeln schützen vor Schmerz

Krafttraining bei Migräne?

Interview von Anja Rech mit Dr. med. Gabriela Kieser. Aus migräne magazin 69

Dr. Kieser
Dr. Kieser

Auch wenn es draußen kalt und ungemütlich ist und Joggen, Radfahren oder Wandern keine Saison haben, sollte man sich regelmäßig bewegen. Eine Möglichkeit sind Sportstudios. Anja Rech vom migräne magazin fragte Dr. med. Gabriela Kieser, Ärztin und Aufsichtsrätin der Kieser Training AG im Interview, inwieweit Krafttraining bei Migräne und Kopfschmerzen in Frage kommt. 

mm: Frau Dr. Kieser, was würden Sie einem Kunden im Sportstudio raten, der häufig unter Kopfschmerzen leidet?
Kieser: Das kommt bei uns sehr häufig vor, denn viele Menschen sitzen zehn bis zwölf Stunden täglich am Bildschirm. Bei dieser Lebensweise muss die Nackenmuskulatur die Hauptarbeit leisten.

Es kommt zu Verspannungen mit Verkürzung der Nackenstrecker und Blockierungen der Halswirbelgelenke. Stress, Hektik oder Angst verstärken die Verspannungen weiter. Dies reizt häufig die Sehnenansätze am Übergang der Nackenstrecker zum Schädelknochen, sie reagieren druckempfindlich. Die vielen Schmerzrezeptoren in der Knochenhaut werden irritiert, Spannungskopfschmerz entsteht.
Deshalb ist Krafttraining bei Spannungskopfschmerzen das Mittel der Wahl: Nur wenn man die tiefen Nackenmuskeln gezielt aufbaut, werden sie kräftiger und können ihre Funktion erfüllen. Zusätzlich ist eine Kräftigung des Schultergürtels, der Stamm- und Rumpfmuskeln erforderlich. Damit werden 80 Prozent aller Kunden mit chronischen Nackenschmerzen mit oder ohne Spannungskopfweh schmerzfrei oder die Beschwerden gehen deutlich zurück.

mm: Gilt für Migränepatienten dasselbe?

Eisstockschiessen
Eisstockschiessen

Kieser: Krafttraining ist keine ursächliche Therapie bei Migräne. Hier würde ich eher zu Ausdauersport an der frischen Luft raten, damit die Betroffenen von ihrem Stress runterkommen. Häufig treten jedoch Spannungskopfschmerzen und Migräne zusammen auf. Dann lohnt sich ein Versuch mit Krafttraining.
So oder so: Ein gesundheitsorientiertes Krafttraining ist sinnvoll für einen kräftigen und belastbaren Körper – mit oder ohne Migräne.

mm: Wie wirkt das Training genau?

Kieser: Beim Kieser-Training werden die tiefen Nackenmuskeln an einer speziellen computergestützten Trainingstechnologie gezielt aufgebaut. Damit die Muskeln stärker werden, müssen sie übeFotos: oben © privat; unten © Mumpitz – Fotolia.comr den ganzen möglichen Bewegungsumfang trainiert werden, bis in die lokale muskuläre Erschöpfung. Nur so werden zusätzliche Muskelfasern aktiviert, die in einer zweiten Phase dicker und damit kräftiger werden.
Man fängt mit leichten Widerständen an und steigert sie gemäß Verträglichkeit allmählich. Das Training an dieser computergestützten Trainingsmaschine wird von einem speziell geschulten Instruktor begleitet.
Parallel dazu werden die Schultergürtel-, Stamm- und Rumpfmuskeln an weiteren Trainingsmaschinen gekräftigt. Unsere Kunden werden dabei vom Fachpersonal ins Training eingeführt. Vor allem Menschen mit deutlicher Symptomatik empfehlen wir, das Training unter engmaschiger Begleitung zu absolvieren.

mm: Wieviel sollte man trainieren?

Kieser: Für einen dauerhaften Erfolg sollte man langfristig ein- bis zweimal pro Woche 30 Minuten an die Geräte gehen. Es ist in seltenen Fällen möglich, dass das Training die Reizungen und damit auch die Kopfschmerzen zunächst verstärkt. Dann ist es sinnvoll, auszusetzen und Schmerz und Entzündung medizinisch zu behandeln. Sobald die Reaktion abgeklungen ist, kann der Patient wieder ins Krafttraining einsteigen.
Wenn man regelmäßig trainiert, zeigt sich die positive Wirkung langfristig. Kräftige Muskeln halten nicht nur der Alltagsbelastung besser stand. Ein langfristiges Training stärkt auch Knochen und Sehnen und bewahrt die Beweglichkeit. Mit einem gesundheitsorientierten Krafttraining kann die Lebensqualität verbessert und erhalten werden – ein Leben lang. n

Anja Rech

Dr. med. Gabriela Kieser,
Ärztin und Aufsichtsrätin
der Kieser Training AG