Ausdauersport gegen Kopfschmerzen

Ausdauersport

Aerobic wirksamer Bestandteil multimodaler Kopfschmerz-Therapieprogramme

Dr. Charly Gaul, Pinar Kalaman, Dipl.-Psych. Dr. Uta Kraus, Migräne- und Kopfschmerzklinik Königstein. Aus migräne magazin Heft 58

Auch wenn eine Heilung von Kopfschmerz-Erkrankungen mit medikamentösen Therapien bisher nicht möglich ist, ist die Behandlung sowohl akut als auch vorbeugend durch medikamentöse Therapien dominiert. Mit einer klinisch gut belegten medikamentösen Kopfschmerz-Prophylaxe lässt sich bei der Hälfte der Patienten eine Besserung der Kopfschmerzfrequenz um 50 Prozent erreichen. Das heißt aber auch, dass bei knapp der Hälfte der Patienten mit einer rein medikamentösen Therapie keine ausreichende Verbesserung erzielt werden kann. Viele Patienten stehen einer medikamentösen Kopfschmerz-Prohylaxe skeptisch gegenüber und sind auf der Suche nach wirksamen alternativen Therapien. So zeigte sich beispielsweise in einer Analyse von Versicherungsdaten aus den USA, dass nach sechs Monaten bis zu 70 Prozent der Patienten nicht mehr oder nicht mehr ausreichend die verordnete medikamentöse Prophylaxe einnahmen.Nicht medikamentöse und medikamentöse Therapien

Nicht zuletzt deshalb wurden in den letzten fahren zunehmend Studien veröffentlicht, in denen nichtmedikamentöse und medikamentöse Therapien miteinander verglichen und die Wirkung von Kombinationstherapien überprüft wurden. Dabei wird erkennbar, dass die Kombination verschiedener Therapieformen bessere und länger andauernde Wirkungen zeigen. Entsprechend werden seit vielen Jahren z.B. zur Migräne-Behandlung ergänzend nichtmedikamentöse Verfahren wie verhaltenstherapeutische Programme (z.B. Kognitive Verhaltenstherapie, Stressbewältigung), Entspannungsverfahren (z.B. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson) und regelmäßiger Ausdauersport empfohlen. Welche der Therapiebestandteile in einem derart multimodalen Kopfschmerz-Behandlungsprogramm wirksam und für das Gesamtkonzept entscheidend sind, ist derzeit noch offen. Ein Schlüssel liegt jedoch in der Kombination verschiedener Therapie-Angebote. Dabei ist Ausdauersport eine sehr interessante Therapiekomponente, die nach unseren derzeitigen Erkenntnissen die Kopfschmerz-Erkrankungen generell positiv zu beeinflussen. So wurde zum Beispiel unter aktiven Basketballspielern/innen der Amerikanischen Colleges gezeigt, dass die Migräne-Häufigkeit bedeutend niedriger ist als in der Allgemeinbevölkerung. Bei Migräne-Patienten zeigte sich in einigen Studien ein Ansteigen der Schmerzschwelle und eine Reduktion der Aktivität des vegetativen Nervensystems durch regelmäßigen Ausdauersport.

Wird Ausdauersport als Therapie eingesetzt, ist jedoch auf die richtige Intensität und Dauer zu achten. Ist die Intensität sehr hoch (z.B. an der Maximalbelastung), so können bei einigen Patienten dadurch Migräne-Anfälle ausgelöst werden. Bei maximal mittleren Intensitäten werden jedoch keine Migräne-Anfälle ausgelöst, und die verschiedenen positiven physiologischen, psychischen und sozialen Effekte von Ausdauersport entstehen und stellen sich ein. Es ist daher wichtig, dass die individuellen Trainingsintensitäten jedes Patienten bestimmt werden, damit keine Überlastungen (z.B. auch Anstrengungskopfschmerz) oder Verletzungen (z.B. Muskel- oder Bänderreizungen) auftreten. Das ist insbesondere bei Sporteinsteigern wichtig, da sie erst (wieder) eine gute Wahrnehmung der Intensitätsgrenzen entwickeln müssen. Durch eine langsam ansteigende Trainingsintensität und wenn nötig zusätzliche vorübergehende medikamentöse Therapie kann der Anstrengungskopfschmerz vermieden werden.

Sportart, Intensität und Häufigkeit
Der derzeitige Stand der Wissenschaft spricht für eine gute Wirksamkeit von regelmäßigem Ausdauersport bei mittlerer Intensität. Wichtig ist ein Aufwärmtraining zu Therapiebeginn. Regelmäßig bedeutet dabei nach Möglichkeit dreimal die Woche für mindestens 30 Minuten. Die mittlere Intensität kann individuell sehr unterschiedlich sein und hängt auch von der gewählten Sportart ab. Ob bestimmte Sportarten zu bevorzugen sind, ist noch nicht bekannt. Empfehlen lassen sich moderate aerobe Ausdauersportarten wie zum Beispiel Nordic Walking, Jogging, Radfahren, Schwimmen, usw. Sinnvoll ist – zumindest in den ersten Trainingsstunden – die Anleitung durch einen ausgebildeten Trainer.

Neben den günstigen Einflüssen von Ausdauersport auf die Migräne fördert Sport auch das eigene Wohlbefinden und wirkt sehr günstig auf die Stimmung, auf depressive und auf angstbezogene Symptome. Bei der Auswahl der geeigneten sportlichen Aktivität kann es sein, dass man zunächst Verschiedenes ausprobieren muss. Für den einen reichen zunächst ausgedehnte Spaziergänge, um zunächst einmal die Bewegung hinein zu kommen, für einen anderen ist ein Waldlauf der richtige Ausgleich für seinen Alltag. Manch einer braucht diese Zeit ganz für sich allein und manch anderer fühlt sich in einer Gruppe wohler und motivierter. So kann jeder für sich wählen, welche Aktivität am besten zu ihm passt und ihm am meisten Spaß macht. Die Freude und eigene Motivation ist deshalb besonders wichtig, da die sportliche Aktivität regelmäßig und fest in den Alltag integriert werden muss, um die günstigen Effekte zu entfalten. Wird eine Sportart gewählt, die einem nicht so liegt oder die wenig Freude bereitet, so ist die Gefahr der Aufgabe sehr hoch und führt dann auch häufig zum Abbruch.

Wichtig ist, dass man sich diese Aktivität regelmäßig einplant und die Zeiten genauso ernst nimmt, wie einen Termin beim Arzt oder die Einnahme der Prophylaxe. Was für Medikamente gilt, gilt auch für die therapeutische Wirkung von Ausdauersport: Eine versäumte Einnahme heißt nicht, dass man beim nächsten Mal die doppelte Dosis einnehmen soll oder die Therapie gar ganz abbricht. Eine versäumte Sporteinheit – beispielsweise auf Grund einer akuten Migräne-Attacke – ist weder ein Grund, sich bei der nächsten sportlichen Betätigung zu überlasten, noch ein Hindernis, diese bei besserem Wohlbefinden nicht wieder aufzunehmen.

Grundsätzlich gilt für die Wahl von Sportart, Intensität und Häufigkeit:
Gut ist, was gut tut!

Dr. Charly Gaul, Pinar Kalaman,
Dipl.-Psych. Dr. Uta Kraus
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